11. Aug 2017

Venezuela: Immer mehr Diphtherie

Isla Margarita, Venezuela iStock/urf

Die Zahl der Diphtherie-Erkrankungsfälle in Venezuela nimmt landesweit zu. Das verkündete das Statistikamt und die Gesundheitsbehörden des Landes. Grund dafür seien Impfstoffengpässe, unzureichende Behandlungsmöglichkeiten und eine fehlende politische Strategie diese Problematik in der Bevölkerung anzugehen. Seit September 2016 liegen den Behörden 447 registrierte Erkrankungsfälle vor, die meisten wurden aus dem Bundesstaat Bolivar berichtet. Im vergangenen Jahr wurden mindestens 40 Diphtherie-Todesfälle verzeichnet, davon rund 30 Fälle alleine aus Bolivar. Weitere Erkrankungsfälle werden auch aus Anzoategui, Miranda, Monagas, Apure, Sucre, dem umgebenden Distrikt der Hauptstadt und aus Zulia berichtet. Einzelfälle wurden in Cojedes, Vargas, Yaracuy, Merida, Trujillo, Barinas, Portuguesa, Carabobo und Nueva Esparta bekannt.  

Diphtherie-Erkrankungen mit reisemedizinischen Hintergrund: sieben von neun  

Diphtherie-Bakterien (Corynebacterium diphtheriae) treten weltweit auf und erzeugen ein gefährliches Gift (Diphtherietoxin). Die Erreger werden mittels Atemluft, z.B. durch Küssen, Niesen, Husten übertragen (Tröpfcheninfektion). Eine Ausnahme bildet die Hautdiphtherie, bei der die Erregerübertragung durch Schmierinfektionen stattfindet. Die Hautdiphtherie ist in Europa eher selten und tritt vor allem in den tropischen Ländern auf. Erst in diesem Jahr erkrankte ein 51-jähriger Tourist nach seiner Rückreise aus Thailand an einer Hautdiphtherie. Vereinzelte Fälle wurden in den vergangenen Jahren bei  Obdachlosen, Drogensüchtigen, aber eben auch bei Reisenden beobachtet. Eine Untersuchung die in den Jahren 2000 bis 2009 durchgeführt wurde zeigte, dass von neun Diphtherie-Erkrankungen die in Deutschland registriert wurden, sieben einen reisemedizinischen Hintergrund hatten.  

Diphtherie kann tödlich verlaufen  

In gemäßigten Klimazonen, wie Europa, tritt die Diphtherie vor allem in den Atemwegen – insbesondere im Gaumen- und Kehlkopfbereich - auf. Die ersten Krankheitsbeschwerden treten für gewöhnlich 2 bis 5 Tage nach der Infektion auf. Zunächst kommt es meist zu hohem Fieber, Schluckbeschwerden und Halsschmerzen. Im weiteren Verlauf bilden sich grauweiße Beläge, sog. „Pseudomembrane“ die sich auf Mandeln und Gaumenzäpfchen legen. Kommt es zur Ausdehnung der Beläge bis in die Kehlkopfregion, droht Erstickung durch Verlegung der Atemwege. Bei dem Versuch die Membrane zu entfernen treten meist Blutungen auf. Bilden sich Komplikationen kann es zu ernsten allergischen Reaktionen, zur Entzündung des Herzmuskels, sowie zu Nieren-, Nervenschädigungen und Lähmungserscheinungen kommen. In 5-10% der Fälle kann die Krankheit tödlich verlaufen, in medizinisch unversorgten Regionen liegt die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Krankheitsverlaufes durch Herzversagen oder Erstickung bei 25%.  

Impfmüdigkeit erhöht die Empfänglichkeit  

Die Vergangenheit zeigte, dass bei sinkender Immunität in der Bevölkerung eine Zunahme der Diphtherie-Fälle beobachtet werden kann. Wegen der oft durch Impfmüdigkeit entstandenen Immunitätslücken der erwachsenen Bevölkerung wird eine zunehmende Empfänglichkeit beobachtet. Obgleich in vielen tropischen Ländern ein Rückgang der Erkrankungszahlen beobachtet wird, bleibt die Krankheit in vielen Reiseländern wie z.B. Brasilien, Nigeria, Indien, Indonesien oder auch den Philippinen endemisch. In den GUS-Ländern kam es zu Beginn der Neunziger Jahre zu einer ausgedehnten Epidemie, der die WHO mit umfangreichen Impfkampagnen begegnete. Aufgrund von Impfkampagen konnte die Zahl der Diphtheriekranken im Jahr 1995 von rund 50.000 auf 730 im Jahr 1999 gesenkt werden.

Auffrischimpfungen sollten mit einem Impfschutz gegen Tetanus und Keuchhusten kombiniert werden 

Wichtig ist im Erkrankungsfall die rasche Behandlung und Gabe eines Gegengiftes zur Neutralisierung des Diphtherietoxins, das durch die Erreger im Körper ausgeschüttet wird. Die durchgemachte Krankheit hinterlässt keine sichere Immunität, daher ist eine vorbeugende Impfung gegen Diphtherie wichtig. Die Impfung schützt vor allem vor der Wirkung des Giftes im Körper und verhindert somit die folgenschweren Auswirkungen. Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfiehlt die Diphtherie-Impfung für alle Personen in Deutschland ab dem 3. Lebensmonat. Nicht geimpfte oder Personen mit nicht eindeutig dokumentierter Grundimmunisierung sollten 2 Impfungen im Abstand von 4-8 Wochen und eine dritte Impfung ca. 12 Monate nach der 2. Impfung erhalten. Diese Zeitabstände sind als Mindestabstände zu verstehen, d.h. jede Impfung gilt (es gibt keine unzulässig großen Abstände zwischen den einzelnen Impfungen). Vor der Reise sollten möglichst zwei Impfungen gegen Diphtherie erfolgt sein. Beginn des Schutzes ungefähr 2 Wochen nach der zweiten Impfdosis. Nach vollständiger Grundimmunisierung sollte im Fall eines erhöhten Infektionsrisikos (z.B. vor Reisen in Infektionsgebiete) mit einer Impfung nachgeimpft werden, sofern die letzte Impfung mehr als 5 Jahre zurückliegt.  Außerdem empfiehlt die STIKO die Diphtherie-Impfung in Kombination mit Tetanus und Keuchhusten durchzuführen.